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Die Kunst die eigene Schwäche anzunehmen - "Es reinigt sich gerade"

  • Autorenbild: Monika
    Monika
  • 4. Aug. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Nov. 2023

Wir alle präsentieren uns gerne von unserer Schokoladenseite. Fotos werden sorgsam ausgewählt, bevor sie in die sozialen Medien und den WhatsApp-Status wandern, Worte werden wohl formuliert (bei mir zumindest) und kontroverse Themen werden gerne umschifft. Aber die Wahrheit ist, es ist nicht immer eitel Sonnenschein. Wenn nicht Sonne ist, bedeutet das zwar auch nicht zwangsläufig, dass lebensbedrohlicher Sturm herrscht, aber es gibt ja auch die vielen vielen "passt schon"-Tage. "Passt schon" ist bei mir eigentlich ein Code für "Eigentlich fühle ich mich heute nicht so energiegeladen, aber ich weiß auch nicht, was ich brauche um das zu ändern". Und dieses "Ich weiß nicht, was ich brauche" ist es, was meine Box, mein Ego, ziemlich nervös macht. Dahinter steckt ein Anspruch, immer zu wissen, was gerade los ist und was gerade gebraucht wird. Bullshit! Innerlich knülle ich diesen Anspruch zusammen wie ein Blatt Papier und werfe ihn über die Schulter hinter mich. Ich habe aber den leisen Verdacht, dass meine Box bei passender Gelegenheit diese Geschichte wieder hervorzaubern wird, wie eine Münze hinter dem Ohr.


Zu Leben bedeutet kontinuierlich diese verschiedenen Wellen zu reiten. Mal ist man energiegeladen und alles geht wie von alleine, mal eben nicht. Die Kunst besteht darin, damit okay zu sein und nicht in den Widerstand oder die Ablehnung zu gehen. Keine leichte Kunst, wenn man bedenkt mit wieviel Sonnenscheingesichtern, Sonnenscheinkarrieren, Sonnenscheinwerbung und und und wir tagtäglich bombardiert werden. Wer könnte da nicht auf die Idee kommen, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Oder habe ich gar eine Depression? Also nur weil ich mal einen Tag einen Durchhänger habe, habe ich doch keine psychische Krankheit. Also entspann dich und mal nicht den Teufel an die Wand.

Interessant, wie das eigene Zentrum sich wieder in die Zukunft verziehen möchte. Ich bin heute einfach nicht zu Höchstleistungen bereit, das ist alles. Und vielleicht brauche ich heute einfach einen ruhigeren Tag und jemanden der mir Raum hält für die Gefühle die sich gerade an die Oberfläche arbeiten. Und Morgen sieht alles schon wieder anders aus.


"Auf Regen folgt auch wieder Sonnenschein."

Als Frau fühle ich diese verschiedenen Gemütszustände besonders in der Zeit um meine Monatsblutung. Es fällt mir schwere mich von meinem eigenen Bullshit abzugrenzen und an manchen Tagen wäre ich am liebsten nur im Bett um mich nur einfach nicht dem Leben stellen zu müssen. Warten bis der Sturm vorüberzieht. Vielleicht ist das auch nur bei mir so? Wenn ich mit anderen Frauen darüber spreche, höre ich zwar, dass sie diese trüben Phasen auch kennen, aber ich sehe und höre davon nichts. Ha, vielleicht ziehen die sich dann auch zurück und sprechen nur einfach nicht darüber, so wie ich gerade.

Eigentlich ist es ziemlich schade, dass wir uns lieber hinter Masken verstecken als uns zu zeigen wie wir sind. Ich glaube wenn viele wüssten, dass sie bei weitem nicht allein sind mit ihren trüben Phasen, würde sie das trösten und unser Verständnis über das Mensch-sein an sich wäre bereichert.

So wie Helden sich nicht dadurch auszeichnen, dass sie keine Angst haben, sondern lernen mit dieser zu sein, so müssen wir Menschen lernen, dass unsere schwachen Momente im Leben nicht bedeuten, dass mit uns etwas nicht richtig ist, sondern dies einfach zum Mensch-sein, zum Leben dazugehört. So wie der Tod immer zum Leben gehören wird. Ohne Schatten kein Licht. Und oft genug ist es erst der Schatten, der das Licht so richtig strahlend und schön erscheinen lässt. Gäbe es nur Licht könnten wir keinen Unterschied sehen und alles wäre ziemlich eintönig und fade.


Deshalb sind die schönsten und berührendsten Geschichten jene, wo der Protagonist wirklich am Boden ist (im Englischen verwendet man dafür den schönen Ausspruch "to hit rock bottom") und sich dann (gerne mit der Hilfe von Freunden) wieder hochkämpft. Einen Sieg kann man nur richtig wertschätzen, wenn man auch die Niederlage gekostet hat.



Stau
Stau auf der Gedankenautobahn

Ein Impuls den ich von einer Freundin zu dem Thema bekommen habe war

"Es reinigt sich gerade".

Nicht "ich" reinige mich gerade, sondern "es". In mir. Mit mir. Durch mich.

So wie sich mein physischer Körper mithilfe der Monatsblutung reinigt, so arbeitet auch mein emotionaler Körper immer mal wieder alte Emotionen an die Oberfläche, damit sie endlich ausgedrückt und bezeugt werden. Danach fühle ich mich leichter. Und auch der mentale Körper beschenkt mich von Zeit zu Zeit mit so vielen Gedanken als ob ich an der Autobahn stehe und versuche die einzelnen Nummernschilder zu lesen. Zu viel, zu schnell.... ich geb auf. Wenn mein Verstand das macht, bleibt mir nur mich bei ihm für seine tolle Arbeit zu bedanken, mir innerlich einen Liegestuhl aufzubauen und die Gedanken-Autos vorbeifahren zu sehen. Ich muss mit ihnen nichts machen, ich lasse sie einfach vorbeiziehen und staune über die Vielfalt und Geschwindigkeit meiner Gedanken. Und wenn ich genug habe stehe ich auf und deklariere dass jetzt etwas anderes möglich ist. Dafür braucht es Wut, bewusste und wohldosierte Wut. Und Traurigkeit um loslassen zu können. Und natürlich Angst um den Schritt ins Unbekannte, in die neue Möglichkeit tun zu können.


Ich wünsche uns allen, dass wir sanfter und gleichzeitig offener mit unseren eigenen Schwächen umgehen können. Ohne Vergleiche, einfach nur mit unserem authentischen Sein.


Frau Wolke Schwäche

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